10.09.2013

Reutlinger Nachrichten, Metzinger-Uracher Volksblatt/Der Ermstalbote

REUTLINGEN: Mehr als sechs Wochen sind seit dem Hagelsturm vergangen: Die Natur erholt sich schneller als gedacht. Ihrem Selbsterhaltungstrieb folgend, blühen in der Region immer mehr Bäume und Sträucher.

Der am 28. Juli zerstörerisch wütende Hagelsturm »Andreas« hat außer an zahlreichen Gebäuden und Fahrzeugen auch in Gärten, Parks und Obstwiesen großen Schaden angerichtet.

Jetzt, mehr als sechs Wochen danach, hat sich vieles in der Natur erstaunlich schnell erholt – möchte man meinen. In Wirklichkeit täuscht das frisch ausgetriebene Grün an Bäumen und Sträuchern über die unausweichlichen Folgen hinweg. Die stehen unter Stress und werden ihr Leiden dann erst im kommenden Frühjahr sichtbar werden lassen.

»Bis zum Winter werden die frischen Triebe ihr Wachstum nicht abgeschlossen haben und bei strengerem Frost erfrieren«, sagt Diplom-Ingenieur Ulrich Schroefel, Grünflächenberater auf dem Landratsamt, zum unerfreulichen Wachstum im Spätsommer.

Etliche sind nun dabei, quasi als Stress-Folge, an die Erhaltung ihrer Art zu denken. Sie blühen zur gänzlich falschen Zeit. Experten indes wundern sich über dieses Blüh-Phänomen nicht sonderlich. Im klaren sind sie sich darüber, dass die vom Hagel verschont gebliebenen Blütenknospen, jetzt sinnlos verpulvert, im kommenden Frühjahr für keine Blütenpracht sorgen werden.

So wie auf dem mittlerweile zum Besuchermagnet gewordenen Apfelbaum des 1. RMC Reutlingen, der neben der Zufahrt zum Listhof in nahezu voller Blüte steht. Oder die Zierkirsche an der Bodelschwinghstraße, der Flieder in der Aaraustraße, der Zierapfelbaum in der Bismarckstraße sowie der Hartriegel, der Schneeball und der Niedrige Scheinhasel in einer Gartenwohnanlage im Hohbuch – alles prächtig anzusehen.

Besonders imposant ist auch ein stattlicher Kastanienbaum hinter dem Edeka-Markt Möck in der Friedrich-Naumann-Straße. Das vom Hagel gepeinigte Exemplar präsentiert sich in diesen Tagen wie noch nie: Die vom Hagel verschont gebliebene Seite ist weithin sichtbar ganz normal herbstlich braun. Die andere, vom Hagel zerfledderte Seite dagegen mittlerweile mit frisch ausgetriebenem grünen Laub und einer ganzen Anzahl von Blüten so wie sonst nur im Mai. Kastanienkapseln? So gut wie keine.

»Das Ganze ist ein einzigartiges Naturphänomen so weit ich mich zurückerinnern kann«, sagt Schroefel – und das sind mindestens schon 50 Jahre. Freuen kann er sich darüber nicht, zumal ihm schwant, was da im Frühjahr 2014 alles auf uns zu kommt.